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Montag, 29 April 2024

Geschichte der Schrift

Stellt euch mal vor, es würde keine Schrift geben und ihr könntet euren Freunden nicht mal schnell eine Nachricht senden, um euch zu verabreden. Ihr müsstet ein Zeichen in einen Stein klopfen und ihn an den Fuß einer Brieftaube binden und diese zu eurem Freund fliegen lassen, das würde Verabredungen sehr schwer machen. Zum Glück haben wir heute die Schrift, die wir kennen, aber bis diese sich so entwickelt hat, wie wir sie kennen, ist viel Zeit vergangen. Wir erzählen euch in diesem Artikel, wie die Schrift sich bis heute entwickelt hat.

Thomas T. from somewhere on Earth, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Die Menschen kommunizieren grundsätzlich durch Laute, Wörter und die Körpersprache, eher neu ist dabei die Schrift, wie wir sie heute kennen.
Die Ureinwohner Australiens, die Aborigines, sangen Lieder mit denen sie die Geschichte ihrer Urahnen erzählten. So wurde traditionell das Wissen an die nächsten Generationen weitergegeben. Bevor es Buchstaben gab, hatten die Menschen Bilder gemalt. Die ältesten uns bekannten Bilder in Form von Höhlenmalereien sind ca. 100.000 Jahre alt. Es wurden Tiere, Menschen und Jagdszenen dargestellt. Aus diesen Malereien können wir entnehmen, wie unsere Vorfahren gelebt haben, was die getragen haben und welche Tiere sie gejagt haben. Obwohl die prähistorischen Künstler es vielleicht nicht beabsichtigt hatten, haben sie für uns einen Teil ihres Lebens dokumentiert.
Uns künstlerisch ausdrücken zu wollen scheint tief in uns verankert zu sein. Doch es sollte noch mehrere Jahrtausende dauern, bis die Geschichte des Schreibens ihr nächstes Kapitel aufschlug.

In unserem Leben wird uns auch viel Wissen durch Sprache vermittelt, doch unsere Schrift und damit das Wissen in Form von Büchern und Internetseiten haben geholfen, das Wissen schneller und weiter zu verbreiten als je zuvor.
Heute ist das Schreiben und Lesen nicht mehr aus dem Alltagsleben wegzudenken. Straßenschilder, Busse, U- und S-Bahn-Stationen oder das Chatten über das Handy erfordern die Kenntnis über die Schrift.

Unser Alphabet hat allerdings eine lange Geschichte. Wie kam es dazu, dass wir uns heute so spielerisch durch das Schreiben verständigen können?

Mesopotamien

Wir schreiben das Jahr 3500 v. Chr. in Sumer (im Südwesten des heutigen Iraks [Bild-oben-Punkt-1.]). Durch das Volk werden Gaben für die Lager der Provinz erbracht. Bevor diese Güter versteuert und an das Volk verteilt werden können, muss erfasst werden, wie viel Getreide, Getränke und Vieh sich derzeit im Lager befindet. Die Verwaltungsbeamten entwickelten dafür ein Schreibsystem. 

Für jede Einheit einer bestimmten Ressource wird ein vereinfachtes Bild vom Gut gemalt, dahinter wird ein Punkt für die Anzahl eingezeichnet. Die Bilder werden mit einem Holzstift auf nassem Ton gezeichnet. Nach ein bis drei Tagen verhärtet sich der Ton und die Liste bleibt erhalten (Bild rechts).

Wollte man z.B. einen Eintrag für Hirse machen, so zeichnete man eine vereinfachte Darstellung eines Getreidehalmes. Eine nach unten spitz zulaufende Vase bedeutete Bier (in der Abb. rechts zu erkennen).


Es konnten auch Verben dargestellt werden, indem man ein Gesicht und eine Schale daneben zeichnete (Im Bild unten links befindet sich die Zeichnung für „trinken“].

Das geschriebene Sumerisch war demnach zunächst eine „Begriffsschrift“, bei der eine Zeichnung einer Sache zugeordnet wurde.

Ein modernes Beispiel dafür sind Smileys, die man an Textnachrichten hängen kann. Nach und nach wurden die sogenannten Piktogramme nicht sinnbildlich, sondern klangbildlich benutzt. Also den Getreidehalm nicht gezeichnet, weil man die Hirse meinte, sondern wegen des Lautes. Hirse hießt im sumerischen „she“ Milch heißt „Ga“ zusammen machen sie den Laut „shega“. Das neu entstandene Wort hat weder was mit der Hirse noch mit der Milch zu tun, sondern es bedeutet „schön“.

Hier ein modernes Beispiel: ein B und das „und“ Zeichen zusammen gesprochen (B&) ergeben Bund.

Die ursprüngliche Bedeutung des „&“ Zeichens wird ignoriert, dafür wird die Aussprache allein berücksichtigt.
Diese Art der Symbolnutzung nennt sich „Rebus-Prinzip“. Mit dieser Anwendung konnten mehr Wörter geschrieben werden. Nicht nur Objekte wurden durch die Schrift ausgedrückt, viel mehr konnten ganze Sätze geschrieben werden, die man vorher nur durch Sprache vermitteln konnte.

Diese sogenannten Piktogramme wurden mit den kommenden Jahren in Mesopotamien verändert, sodass schneller geschrieben werden konnte.
Man schrieb zunächst von oben nach unten, dies führte häufig dazu, dass die Hand beim Schreiben auf die nasse Tontafel aufgesetzt wurde und das eben geschriebene zerstörte.
Also entwickelte sich eine Technik, bei der man von links nach rechts schrieb, und zwar auf eine Art und Weise, dass man die Tontafel um 90° drehen konnte und die Symbole von oben nach unten zu lesen waren. Denn man hatte das Lesen ja so gelernt.
Also schreiben von links nach rechts und lesen von oben nach unten. Dafür wurden die Piktogramme seitlich eingezeichnet, was zur weiteren Abstraktion der Zeichen führte.

Kommende Reiche, vor allem die Auseinandersetzungen zwischen Sumer und dem Akkad ließen bei der Schrift weitere Entwicklungen folgen. Und darauf folgende Reiche wie Babylon und Assyrien übernahmen nicht nur die damalige Keilschrift, sondern entwickelten sie stetig weiter (Bild links).

Dank dieser Entwicklung der Schrift kennt man heute noch Geschichten über den König Gilgamesch, die über 3000 Jahre alt sind.

Die Entwicklung der Schrift

Die Entwicklung der Schrift
Creation of the drawing:पाटलिपुत्र (talk)Chinese pictographs: BabelStoneIndus script: PHGCOMProto-Elamite pictographs: VIGNERONElamite Cuneiform: RamaProto-Cuneiform: José-Manuel BenitoCuneiform:Adam JonesProto-Canaaite alphabet: KwamikagamiEgyptian hieroglyph: Udimu Egyptian hieroglyph: Jon BodsworthCrete hieroglyph: Ingo PiniLinear A image: Ursus, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Ägypten

Etwas später als die Sumerer, ca. 3200 v. Chr., entwickelten die Ägypter (Bild 0 :2.) die „Hieroglyphen“(Bild 5). Eine Bilderschrift, die sie größtenteils als Monumentalinschrift nutzten, also zur Beschriftung von Gräbern und Denkmälern.
Ungefähr 300 Jahre später um 2900 v. Chr. wurde auch auf „Papyrus“ geschrieben. Hergestellt aus der Papyruspflanze eignete sich das Material hervorragend zum Schreiben mit einer Binse (Pflanzenhalm, hergestellt aus der Binsenpflanze) und Tinte. Die sogenannte hieratische Schrift war eine kursive Version der schon bestehenden Hieroglyphen (Bild 6).

Auch die Ägypter nutzten das Rebus-Prinzip. Ob die Entwicklung unabhängig von Mesopotamien geschah, ist noch umstritten.

China

<a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Evo-r%C3%AC.svg">Hon.png: Byakuyaderivative work: Ju gatsu mikka  (^o^) appelez moi Ju (^o^)</a>, Public domain, via Wikimedia Commons

Nicht nur in Ägypten und Mesopotamien haben sich Piktogramme als erste Form des Schreibens entwickelt. Zur Zeit der späten „Shang-Dynastie“, etwa 1200-1050 v. Chr. im Nordosten Chinas. Geschrieben wurde zunächst auf Schildkrötenpanzern und Bronze.
Irgendwann zwischen dem 1. und dem 3. Jh, wurde in der östlichen Han-Dynastie Papier hergestellt.
Die Schriftzeichen begannen erstmal als Piktogramme und wurden mit der Zeit stilisiert und vereinfacht. Heute kann man immer noch deren ursprüngliches Muster erahnen (Bild links).

Mesoamerika

Sogar in Amerika wurden Anzeichen einer von der Alten Welt unabhängigen Schrift entdeckt.

In dem mexikanischen Dorf „Cascajal“ wurde bei Straßenarbeiten zufällig ein Relikt der Olmekenkultur gefunden. Dieser sogenannte „Cascajal-Stein“ (Bild links) weist Einkerbungen von Piktogrammen auf und wird auf ca. 900 v. Chr. datiert. Sollte die Authentizität und das Alter bestätigt werden, sind die Piktogramme der Olmeker das erste uns bekannte Schreibsystem Amerikas.

Das Alphabet

Entwicklung des Alphabets
von Links nach Rechts:
Ägyptische Hieroglyphen: ca. 3500 v. Chr.
Protosinanitisches Alphabet: ca. 1750 v. Chr.
Phönizisches Alphabet: ca. 1000 v. Chr.
Griechisches Alphabet: ca. 750 v. Chr.
Etruskisches Alphabet: ca. 400v. Chr.
Lateinisches Alphabet: 1. Jh.

Im Jahre 1905 wurde in der “Sinai” Würste das Puzzlestück gefunden, welches die Piktogramme mit dem Alphabet verbindet.

Kanaanäische Wanderarbeiter unter der Führung eines Arbeitshändlers haben während des Tempelbaus in der Sinai-Halbinsel im Auftrag der Ägypter Tempel erbaut. Auf diversen Baugegenständen der archäologischen Ausgrabungsstelle „Sarabit al Chadim“ wurden die bis dahin noch unbekannten Zeichen geborgen.

Irgendwann um ca. 1750 v. Chr. haben Arbeiter und Sklaven der Ägypter nach einem einfacheren Weg gesucht, zu schreiben. Das bestehende Schreibsystem mit den ganzen Hieroglyphen umfasste 900 Zeichen. Ein ungelehrter Arbeiter konnte sich dieses komplexe Schreibsystem nicht ohne Weiteres aneignen. Daher entwickelten sie mit Hilfe einiger geläufiger Zeichen der „hieratischen Schrift“ ihr eigenes Schreibsystem. Den 28 Buchstaben wurde ein Laut ihrer „kanaanäischen Sprache“ zugeordnet.

Da die Zeichen das erste mal im Jahre 1905 in der Sinai Halbinsel, zwischen Ägypten und der Levante (Überichtskarte: 2-4.) entdeckt wurden, nennt man dieses System „Protosinanitisches Alphabet“.

Pearson Scott Foresman, Public domain, via Wikimedia Commons

Um die 700 Jahre später wurden die Nachbarn der Kanaaniter, die Phönizier, vom örtlich bestehenden Schreibsystem inspiriert und entwickelten ihr eigenes Alphabet (Bild links).

Die begabten Segler und Handelsleute verbreiteten das „phönizische Alphabet“ im nahen Osten und im Mittelmeerraum. So kam das Alphabet auch bei den Griechen an.

Das „archaische griechische Alphabet“ ähnelt von daher sehr dem Phönizischen. Es ist noch zu vermerken, dass das Wort „Alphabet“ ein griechisches Wort ist. Zusammengesetzt aus den ersten beiden griechischen Buchstaben: „alpha“ und „beta“.

Bevor, das römische Alphabet zustande kam, nutzte man in der italienischen Region das etruskische Alphabet, welches wiederum eine Abwandlung der griechischen Buchstaben war (Bild links).

Auf der Grafik (Entwicklung des Alphabets) kann man erkennen, dass die Buchstaben teilweise spiegelverkehrt sind, das liegt daran, dass damals von rechts nach links geschrieben wurde. Erst die Römer entschieden ausschließlich von links nach rechts zu schreiben.

Irgendwann im 1. Jh. entstand dann das „lateinische Alphabet“. Damals gab es aber noch keine Kleinbuchstaben, alles wurde groß geschrieben. Weiterhin fällt auf, dass die Buchstaben „U“, „J“ und „W“ fehlen, diese wurden erst Jahrhunderte später genutzt.

Im alltäglichen Leben schrieben die Römer eine kursive Version ihres Alphabets. Kursiv, ein lateinisches Wort für “rennen” beschreibt sehr gut die Schrift, da sie schnell geschrieben werden konnte.
Diese Buchstaben machten über die kommenden drei Jahrhunderte ebenfalls eine Evolution durch (Bild links).

Nach dem Fall des weströmischen Reichs im Jahre 476 n. Chr. verfiel Europa in ein sogenanntes „dunkles Zeitalter“ in dem nur sehr wenig geschrieben wurde.

Squidonius, Public domain, via Wikimedia Commons

Im 5 Jh. konvertierten die meisten Iren zum Christentum. Die irischen Mönche schrieben selbst im dunklen Zeitalter viel. Allerdings nicht mehr auf Stein, Ton oder Papyrus, sondern auf Pergament, das aus Tierhaut hergestellt wurde.

Sie veränderten die römischen Buchstaben in den kommenden Jahren weiter und nannten es „Incular“ oder auf Deutsch “Altenglisch” (Bild rechts).

Mitte des 8 Jh. verbreitete sich eine Abwandlung der altenglischen Schrift im „fränkischen Reich“ namens „karolingische Minuskel“. Durch Karl den Großen verbreitete sich die Schrift im europäischen Raum und wurde größtenteils zum Standard-Schreibsystem.

Bis zur Erfindung des Buchdrucks wurden alle Bücher per Hand geschrieben, so wurde im 13. Jh. die “gotische Schrift” entwickelt, um das Schreiben zu vereinfachen und zu verbessern. Die Schrift und somit auch die Sprache, werden im Laufe der Zeit noch viele Entwicklungen durchmachen und es werden noch viele Jahre folgen, bis es beim heute genutzten Schreibsystem ankommt.

Doch auch Ihr könnt diese Entwicklung beobachten. Bestimmt habt ihr schon festgestellt, dass eure Eltern und Großeltern gelegentlich verschiedene Wörter oder Bezeichnungen für bestimmte Dinge oder Geschehnisse verwenden. Auch ihr tut es gelegentlich.
Sehr vieles verändert sich mit der Zeit. Die Sprache, die Schrift, Kleidung, Technik, was wir essen und auch ihr ….

Doch die Schrift, Lesen, Schreiben und somit auch das Sprechen, gehören zu den wichtigsten Erfindungen des Menschen.
(bkm, js)

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